P R O L O G

 

Die Wunden des Geistes heilen, ohne Narben zu hinterlassen; die Tat ist nicht das Unvergängliche, sondern wird von dem Geiste in sich zurückgenommen, und die Seite der Einzelnheit, ... (wir würden sagen: der Absonderung) ist das unmittelbar Verschwindende. Das verwirklichende SELBST, die Form seiner Handlung, ist nur ein Moment des Ganzen, und ebenso das durch Urteil bestimmende und den Unterschied der einzelnen und allgemeinen Seite des Handelns festsetzende Wissen.
Phänomenologie des Geistes VI C Der seiner selbst gewisse Geist. Die Moralität(1)

Während der Sommertagung in Calw 2015 erwähnte ein Gast, dass er nicht gerne über den Begriff Manas sprechen möchte, weil ihm das zu ungenau sei.

Manas ist jedoch das doppelte, alles entscheidende Denk-Prinzip des Menschen, welches durch die Manasaputras, die Söhne des Denkens, während der 3. Wurzelrasse dieser 4. Runde erweckt wurde! Dadurch wurden wir fähig, bewusst und aus freiem Willen dem Pfad von Âtma-Vidyâ zu folgen, der zur Mahâtmaschaft und Dhyân-Chohanschaft führt.

Die Manasaputras gehören der Hierarchie des Mitleids an. Ihre spirituelle Arbeit besteht darin, die Feuer des Denkens in geringeren Wesen zu beleben. Damit erwecken sie die noch nicht erwachten Kräfte des Verstandes, der Egoität, des Selbstbewusstseins und der Verantwortung für die Wahl.

Aus den „Esoterischen Kommentaren“ erfahren wir, dass eine bestimmte Klasse von Agnishwâttas dadurch Mânasaputras wurden, weil sie in die unentwickelten Gemüter der Menschen der Dritten Wurzelrasse der vierten Runde eintraten.

Wir können vermuten, dass diese das freiwillig getan haben; oder auch, weil das allumfassende eine Gesetz sie dazu verpflichtet; denn alle Dinge tragen zu allen Dingen bei. Und nichts und niemand kann aus dem Evolutionszyklus aussteigen.

Versäumnisse müssen in jedem Falle nachgeholt werden; selbst der Pratyeka-Buddha wird lt. ML in einem neuen Evolutionszyklus den bitteren Kelch annehmen müssen, sobald Karma ihn erreicht hat. (2)

Wir können die Tätigkeiten dieser drei Klassen von Dhyân-Chohans - die Kumâras, Agnishwâttas und Mânasaputras, die in Wirklichkeit Namen für die gleichen Wesen sind, die sich aber auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen befinden - auf folgende Weise darstellen:

Der Kumâra ist beim Beginn eines planetarischen Manvantaras die menschliche Monade rein spirituellen Ursprungs, die bislang ein nicht-selbstbewusster Gott oder die latente Göttlichkeit im Innern ist. Am Ende des Planetarischen Manvantaras wurde dieser Gottesfunke, durch die Erfahrungen in allen Bereichen der Materie, seiner Göttlichkeit gewahr, er wurde selbstbewusst göttlich und daher ein Agnishwâtta.

Beim Heraufdämmern eines neuen Manvantaras entzünden dann diese Agnishwâttas das Licht der Seele und des Verstandes in geringeren Wesen, den jungen Menschen des neuen Zyklus', und werden somit Mânasaputras genannt.

Von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachtet, kann ein Mensch in seinen rein spirituellen Teilen ein Kumâra, in seinen buddhi-mânasischen Teilen ein Agnishwâtta und in seinen rein mânasischen Teilen ein Mânasaputra genannt werden. Auszug Sanskritschlüssel J. Tyberg - Übersetzung U.S.

Für den betreffenden Besucher wäre es also gewinnbringender gewesen, sich erst einmal zu informieren, welche Lehren - nicht Dogmen, wie vermeintlich behauptet - der Begriff Manas beinhaltet.

Die logische Folge dieser Lehren ist natürlich, dass der Mensch demzufolge keinen „Lieben und auch keinen Gnädigen, alles verzeihenden Gott braucht; und es auch keine stellvertretende Sühne geben kann“.

Kann gut sein, dass so mancher Zeitgenosse, theosophisch Strebende eingeschlossen, damit Probleme hat.

 Manas ist also die doppelte Spirale, die zur Vollkommenheit führt

Doppelt deshalb, weil wir sowohl Aufstieg und Fall; ja, sogar Abstieg in diesem Körper der Absonderung erleben müssen, bevor wir das Gleichgewicht auf der Brücke zwischen Geist und Ego, bzw. zwischen dem höheren und dem niederen Manas gefunden haben. Diese Brücke wird Antaskarana - korrekt: Antahkarana - genannt.

Sie ist die feine Linie zwischen Stolz und Demut, zwischen hoch und niedrig, zwischen Zweifel und Sicherheit, zwischen sprirituellem Fortschritt oder dem Versinken in die Materie. Deswegen wird Arjuna, dem Menschen, von Krishna, seinem inneren Gotte angeraten, sich auf dieser sicheren Scheidelinie nieder zu lassen. Voraussetzung dafür wäre jedoch ein vollkommener Gleichmut. Ein schwer zu erreichender Zustand, der sicherlich nicht in nur einer Inkarnation erworben werden kann.

Es gibt ja keine göttliche Amnestie, die Dir das Werden erspart, lesen wir bei Saint-Exupery (Stadt in der Wüste). Du möchtest sein? Du wirst nur im Göttlichen. Es wird dich in seine Scheune einbringen, nachdem du langsam durch deine Handlungen geworden und geknetet sein wirst; denn der Mensch braucht lang zum Geborenwerden! Leben heißt: langsam Geborenwerden. Es wäre allzu bequem, fixfertige Seelen auszuleihen.“

Doch schauen wir uns zunächst einmal die Definition des Begriffes „manas“ noch etwas genauer an: Die Sanskritwurzel dieses Worts bedeutet „denken, überlegen oder nachdenken“, kurz gesagt, geistige Tätigkeit. Es ist das Zentrum des Egobewusstseins im Menschen und in jeder anderen Wesenheit, die mit Selbstbewusstsein ausgestattet ist.

Lt. GL I, Seite 240 ist der „Drache der Weisheit“ (3) oder Manas die menschliche Seele, das Gemüt, das intelligente Prinzip, das in der esoterischen Philosophie das fünfte Prinzip genannt wird. Die fünfte Ordnung ist eine sehr geheimnisvolle, da sie mit dem mikrokosmischen Pentagon, dem fünfeckigen Stern, in Verbindung steht, welches den Menschen darstellt. - Zitatende -

Die kosmische Entsprechung zu Manas ist Mahat (m), wörtlich „das Große“ - Mahat ist „Göttliche Intelligenz“, „Kosmisches Gemüt“, die Quelle des Gemüts oder eben Manas im Menschen.

Die Theosophie lehrt, dass Mahat tatsächlich das Aggregat der göttlichen und spirituellen Intelligenzen in unserem Kosmos ist, mit anderen Worten, „die Manasa-Dhyanis ... repräsentieren die evolutionäre Kraft von Intelligenz und Gemüt, dem Bindeglied zwischen Geist und Stoff - in dieser Runde“. (GL I, 204)

Manas selbst ist sterblich und zerfällt beim Tod, soweit seine niederen Teile betroffen sind. Nur die spirituelle Essenz des Manas überdauert den Tod. Die Monade oder Atman-Buddhi nimmt hierauf diese Essenz nach Devachan mit, nachdem der „Zweite Tod“ stattgefunden hat. Atman mit Buddhi und mit dem höheren Teil von Manas werden hierauf zur Spirituellen Monade des Menschen.

Genau genommen ist dies die Göttliche Monade in ihrem Gefäß, Atman und Buddhi, verbunden mit dem menschlichen Ego in seinem höheren manasischen Element. Nach dem Tod sind sie jedoch zu einem Element vereinigt und werden deshalb die Spirituelle Monade genannt.

Nach der Philosophie des Vedanta ist Vijñânamaya-kosa das Höhere Gemüt oder die Mânasaputrische Seele; von vijñâna - Unterscheidung, Intelligenz. In dieser Hülle kann sich der innere Mânasaputra überall innerhalb der Planetenkette dieser Erde hinbewegen.

Manomaya-kosa ist das niedere Gemüt und das Wunschprinzip oder die Menschliche Seele; von manas - Gemüt. Diese Hülle ist der psychologsche Apparat des menschlichen Egos auf diesem Globus D, unserer Planentenkette. Sanskritschlüssel J.Tyberg Übers. U.S.

Das Manas-Prinzip in uns wird (jedoch) erst gegen Ende der nächsten Runde voll entwickelt werden. Was wir jetzt unser Manas nennen, ist ein Allgemeinbegriff für das Reinkarnierende Ego, das höhere Manas.

W.Q.Judge beschreibt im „Meer der Theosophie S. 202“ die Funktion des Manasprinzipes folgendermaßen:

Der Innere Gott beginnt bei Manas. Es speichert die Gedanken aller Leben des Menschen und aktiviert die menschlichen Sinne, benötigt aber Erleuchtung durch Buddhi und Atman, weil es durch Begierden getäuscht wird und durch magnetische Fäden mit der Erde verbunden ist. Dennoch kann der Denker nicht in Tierformen zurückkehren. Die jetzige Natur des Manas verlangt aber nach einem devachanischen Zustand.

Dass dieser notwendige Zustand nicht umgangen werden kann, beruht auf der menschlichen Unkenntnis seiner eigenen Kräfte und Fähigkeiten. Aus dieser Unwissenheit entsteht die Selbsttäuschung, und Manas, nicht gänzlich frei davon, wird durch seine eigene Kraft in das devachanische Denken gedrängt. ( S. 138). Wäre dem nicht so, wären wir alle Anwärter für Nirvana.

Doch während des Lebens auf Erden ist Manas dual:

Das Höhere Manas ist das zum Himmel strebende Gemüt, das Feld des unsterblichen reinkarnierenden Egos, erleuchtet durch das spirituelle Verständnis von Buddhi. Das Niedere Manas ist das menschliche Denkvermögen, von irdischen und tierischen Wünschen und Leidenschaften geleitet. Die „Esoterischen Kommentare“ in der „Geheimlehre“ von H.P.Blavatsky sagen, dass Manas in seinem niederen Teil lunar, in seinem höheren Teil solar ist.

„Der Mond ist der Verstand, die Sonne die Intelligenz.“ Sankarâchâya

 Madame Blavatsky bezieht sich in „Der Stimme der Stille“ auf das Antaskarana als das niedere Manas, jenen Pfad oder jene Brücke der Kommunikation zwischen der Persönlichkeit und dem höheren Manas oder dem sich wieder verkörpernden Teil des Menschen und nennt ihn „jenen Pfad, der zwischen deinem Geist und dir selbst liegt“.

Wenn sich ein Adept jedoch mit seinem Geist vereinigt und sein persönliches Selbst dem Höheren, Unpersönlichen Selbst geopfert hat, verschwindet das Antaskarana, weil es nicht mehr gebraucht wird.

Mit Sicherheit gehen diesem hohen Ziel unter dem Prinzip der „freien Wahl“ lange Perioden selbstgeleiteter Evolution voraus, und es versteht sich auch von selbst, dass wir hierbei immer wieder fehlgehen müssen, wodurch sich ja letzten Endes die Not wendet, in welcher wir uns seit dem Fall in die Materie befinden.

Das Prinzip der freien Wahl ist deshalb so wichtig, weil wir als nicht selbstbewusste Gottesfunken ausgezogen sind, um (selbst-)bewusst in unsere Heimat zurückzukehren.

Und die Problematik des Ur-teils, also des Teilens des eigentlich Vollkommenen, kann nur durch Wissen überwunden werden. Dazu verhilft uns eben die Lebenserfahrung. Selbstverständlich teilen bzw. unterteilen wir einstweilen mit Hilfe der Unterscheidungskraft ständig etwas - ja wir schaffen dabei sogar auch immer wieder neues - um letztendlich als „Geschliffenes Juwel“ zur Einheit zurückzukehren.

Wir finden eine ähnliche Beschreibung auch im 1. Paulusbrief an die Korinther Kapitel 13 Vers 8 -10 und Vers 12:

„Die Liebe höret nimmer auf, so doch die Weissagungen aufhören werden und die Sprachen aufhören werden und die Erkenntnis aufhören wird.... Denn unser Wissen ist Stückwerk, und unser Weissagen ist Stückwerk.... Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.... Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin....“

Jesus beantwortet deshalb die Frage nach seiner Identität  (4) mit den Worten: „Ich bin, der ich bin!“

In jedem Augenblick haben wir die Wahl, uns zu erheben oder in die Tiefen der dichtesten Materialität hinab zu steigen. Deshalb benötigen wir unaufhörliche Disziplin, um unsere Wünsche und die entsprechenden Gedanken zu kontrollieren, denn nichts in dieser manifestierten Ebene geschieht zufällig.

So lange wir uns auf dünnem Eis bewegen, was bedeutet, dass wir immer wieder die sogenannte Mitte verlassen, brauchen wir natürlich unbedingt unsere Urteilsfähigkeit; verurteilen sollten wir jedoch nicht!

Bereits Jesus mahnt uns in der Bergpredigt: Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet! (Matth. 7)

Der Aktion folgt die Reaktion, welche wiederum Aktion bedingt usw.; den Gedanken folgen Taten und das „Tun im Nichttun“ - also das „Absichtslose Tun“ ist zwar erstrebenswert, aber durchaus nicht so ohne weiteres zu verwirklichen.

Mit Recht mahnt deshalb Madame Blavatsky:
Theosophie ist nichts für Denkfaule!

Die Menschheit aber, zum mindesten die Mehrzahl, hasst es, selbständig zu denken. Sie empfindet die bescheidenste Einladung, für einen Augenblick aus den alten ausgetretenen Geleisen herauszugehen und nach selbständigem Urteil einen neuen Pfad in einer frischen Richtung einzuschlagen, als eine Beleidigung. ( GL III, 14)

Die Fähigkeit jedoch, uns über das niedere Manas zu erheben und entsprechende Denkanstöße zu kreieren, wäre unsere Eintrittskarte in die nächst höhere Evolutionsebene. Denn „das menschliche Ego ist weder Âtman noch Buddhi, sondern das Höhere Manas“. (GL II, 83)
Allerdings ist es die Aufgabe des menschlichen Ego, sich seiner Monade, „welche unpersönlich ist“ (GL II, 130 - Fussnote ***), immer mehr anzunähern, indem es seinen Inneren Gott evolviert!

Dabei bedarf der Geist (Purusha) der Hilfe von Prakriti (der Materie) in dieser materiellen Welt. Auch Atma-Buddhi kann nur durch Manas wirken! Und dieses Höhere Manas, das Buddhi-Manas liefert die Essenz, welche nach Devachan (5) mitgenommen wird. Diese spirituelle Essenz bestimmt dann die Dauer des Aufenthaltes in Devachan. Es kommt also darauf an, „wie viele Schätze wir im Himmel gesammelt haben.“

Denn die „dreizüngige Flamme, welche nie stirbt “ist (ja) die unsterbliche geistige Triade, Atma, Buddhi und Manas, oder richtiger die Frucht des letzteren, assimiliert von den beiden ersteren nach jedem irdischen Leben. (GL I, 257)

„Der Logos ist passive Weisheit im Himmel und bewusste, selbsttätige Weisheit auf Erden,“ wird uns gelehrt. Es ist die Vermählung des „himmlischen Menschen“ mit der „Jungfrau der Welt“ oder der Natur, wie im Pymander (6) beschrieben; deren Ergebnis ihr Nachkomme - der unsterbliche Mensch ist. (GL II, 240-241)

In Anbetracht der allmächtigen, göttlichen Natur stellt sich wiederum die Frage, wie frei dann der menschliche Wille - wohlgemerkt - vor der sogenannten Vermählung zwischen dem Höheren und dem Niederen Ego sein kann.

Macht euch die Erde untertan? (Genesis 1, Vers 28) - ja gerne, aber wie? Denn wenn sie 3 x hustet sind wir alle weg!

In den esoterischen Texten heißt es: die Natur neigt sich nur vor demjenigen, der freudig DAS GESETZ erfüllt; da er eins geworden ist mit der universalen Natur, schafft er instinktiv mit ihr bei all ihren Arbeiten, und darum erkennt ihn die Natur als ihren Meister an und huldigt ihm.“ (7)

Die Natur tritt (ja) niemals unbedeutend in Erscheinung. Weder entreißt der weiseste Mensch ihr Geheimnis, noch verliert er seine Neugier dadurch, dass er ihre ganze Vollkommenheit erkennt. Die Natur wurde einem weisen Geiste noch niemals zum Spielzeug. (Emerson Natur S. 14)

Es geht also immer um das Opfer und die Fähigkeit des Loslassens!

Martin Heideggers Feldweg bestätigt uns das Erfordernis der Allverbundenheit und der Sympathie zu allen Lebewesen mit folgenden Worten: „Die Eiche selber sprach, dass in solchem Wachstum allein gegründet wird, was dauert und fruchtet; nämlich dass Wachsen heißt: Der Weite des Himmels sich öffnen und zugleich in das Dunkel der Erde wurzeln; dass alles Gediegene nur gedeiht, wenn der Mensch gleich recht beides ist: bereit dem Anspruch des höchsten Himmels und aufgehoben im Schutz der tragenden Erde.“ - Zitatende -

Betont wird der Zuspruch des Feldweges, welcher in einer langen Herkunft heimisch macht, wobei der (einsichtsvolle) Verzicht uns die unerschöpfliche Kraft des Einfachen offenbart.

Wir können erahnen, warum die Rückkehr von der Vielheit in die Einheit bzw. zur Einfachheit wesentlich ist für das große Opfer, um welches es immer wieder geht; nämlich das niedere selbst dem höheren Selbst zu opfern bzw. den Eigenwillen nach und nach fallen zu lassen und sich immer mehr dem Universalwillen bzw. Universalgemüt unter zu ordnen.

Sucht nur die Menschen zu verwirren, sie zu befriedigen ist schwer!? (9)

Der nicht selbstbewusste Gottesfunke Mensch kann sich ja nur selbst befrieden indem er die Ganzheit anstrebt und Herr im eigenen Hause wird. Das bedeutet u.a., er versetzt sich nach und nach in die Lage, seine Entscheidungen nicht von niederen Motiven beeinflussen zu lassen.

Jede noch so kleine Erfahrung jedoch wird von unserem Gemüt, dem Manasprinzip gespeichert und verarbeitet. Jetzt kommt es darauf an, ob wir denkfaul sind und diese Erfahrungen nur emotional bewerten, oder ob wir uns tatsächlich von Buddhi-Manas - unsrer spirituellen Quelle - beeindrucken lassen.

Bei der ersten Option bewegt sich unser Denken im niederen Manasbereich und es besteht die Gefahr, dass wir die nur kamische, (10) emotionale Seite der Ereignisse in Betracht ziehen. Bei der zweiten Option stimulieren wir das höhere Manas, welches mit Hilfe der Unterscheidungskraft aus Buddhi eine zumindest neutralere Betrachtungsweise und Auswertung ermöglicht.

Das Gemüt ist also Manas. ... und Manas ist es, welches aus Ahamkara, der Ich-bewirkenden Fähigkeit, oder (universalem) Selbstbewußtsein entspringt, sowie Manas im Mikrokosmos aus Mahat, oder Maha-Buddhi (Buddhi, im Menschen) entspringt. Denn Manas ist doppelt. Wie Colebrooke zeigt und übersetzt: „Das Gemüt, sowohl dem Sinne, wie der Handlung dienend, ist ein Organ vermöge Affinität, in dem es verwandt ist mit dem übrigen Prinzipien (GL I, 356)

„Denn eine doppelte Spirale ist es, welche die Menschheit zur Vollkommenheit führt.
Beide Ströme gehen von der Gottheit aus, vermischen sich aber nicht
und kehren in den Schoß der Gottheit zurück“.
(Uxkull: Die Einweihung im alten Ägypten Seite 113)

Da ist sie wieder, diese doppelte Spirale, die uns in Windungen unter zu Hilfenahme des Karmagesetzes stetig zwar durch alle Tiefen, aber auch unmerklich aufwärts führt analog dem geflügelten Wort: „Mit beiden Beinen auf der Erde, mit dem Kopf im Himmel und mit dem Herzen überall“!

Nun ist der Mensch gerufen, in jedem Augenblick seinen Willen in die eine oder andere Richtung zu steuern, wobei jeder Gedanke und jedes Gefühl nicht nur karmische Auswirkungen hat, sondern naturgemäß der augenblicklichen Einsichtsfähigkeit des Individuums entsprechen wird.

Denn jener Teil des Manas, welcher auf die beiden höheren Prinzipien folgt, ist in der Tat die Ahnenseele, der helle, unsterbliche Faden des höheren Ich, welchem der geistige Duft aller Leben oder Geburten anhaftet. (Sutratman - das Fadenselbst) GL II S. 669 Fussnote **)

So gesehen haften wir zwar an unserer geistigen Herkunft, sind aber aufgrund unserer Entscheidungsfreiheit keinesfalls Knechte der sogenannten Meinungen und erst recht nicht unserer eigenen Vergangenheit. Um unserer Individualität allerdings näher zu kommen, wäre etwas mehr Zivilcourage - als wir sie gemeinhin im Alltag beobachten können - durchaus sehr hilfreich.

Zweifellos ist die karmische Ausbeute und auch der Lernerfolg des Mutigen höher als dies bei einem Zaghaften der Fall ist. Ersterer packt in eine Inkarnation vielleicht das hinein, was der Letztere über 5 Inkarnationen verteilt!

Und „die periodische Pendelbewegung zwischen Existenz in einer Form und Existenz in reinem Bewusstsein stellt nur eine Facette des universalen Gesetzes von Aktion und Reaktion dar, welches in der Theosophie mit dem Sanskritausdruck Karma bezeichnet ist.“ (HPB Die Dynamik der psychischen Welt S. 11 - Einleitung)

Von dieser Naturtatsache ausgehend
sprechen die Philosophen,
jeder auf seine Art, vom Geworfensein.
Und tatsächlich ist es so:
Gegen das Gesetz des Werdens innerhalb der Zyklen
können wir absolut gar nichts ausrichten!

Dabei verdeutlicht die Dualität des Manasprinzipes - nämlich höheres Manas = Intelligenz und niederes Manas = Intellekt - die Dramatik unseres Zeit. Während der Intellekt die Oberhand gewinnt und Schlauheit sticht, wird der wahre Edelstein, die Intelligenz, welche immer auch einen Aspekt aus dem übergeordneten buddhischen Glanz widerspiegelt, vernachlässigt. So haben wir einen Überschuss an „intellektuellen Riesen“, welche aber in aller Regel „spirituelle Zwerge“ sind!

Wir sind jedoch niemals aus der Pflicht - im Gegenteil:

Mit wachsender Einsicht wächst auch die Verantwortung auf allen Ebenen des Seins. Rabindranath Tagore drückt diese positive Entwicklung so aus:

                                                                               Ich schlief und träumte, das Leben sei Freude.
                                                                               Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht.
                                                                               Ich handelte, und siehe, die Pflicht war Freude.

 Kriya-sakti ist die dem Kama-Manas-Prinzip zur Verfügung stehende geheimnisvolle Kraft der Gedanken, die denselben befähigt, äußerlich wahrnehmbare, phänomenale Ergebnisse hervor zu bringen. (GL II, 182)

Und was immer die Ansichten der Naturwissenschaft über die sieben Elemente mit ihren zahllosen Unterelementen sein mögen, die Geheimwissenschaft hat seit Zeitaltern gelehrt, daß Akasha (dessen gröbste Form der Ether ist), das fünfte universale kosmische Prinzip,

                                                           -  welchem das menschliche Manas entspricht und aus dem es hervorgeht,
                                                           - kosmisch eine strahlende kühle, diathermane plastische Materie ist,
                                                           - schöpferisch in ihrer physischen Natur,
                                                           - korrelativ in ihren gröbsten Aspekten und Teilen,
                                                           - unveränderlich in ihren höheren Bestandteilen.

In seinem schöpferischen Zustand heißt er (Akasha oder der Ether) die Unter-Wurzel; und in Verbindung mit strahlender Wärme erweckt er „tote Welten zum Leben“. In seinem höheren Aspekt ist er die Seele der Welt; in seinem niederen der Zerstörer. (GL I, 41 Fussnote **)

Wir sehen, welche Ergebnisse wir - abhängig von der Kraft und Intensität unserer Gedanken - zustande bringen, und warum es so wichtig ist, diese Gedanken zu kontrollieren und ihnen die von „dem Herrn im Hause“ gewünschte Richtung zu geben.

In Ihren Briefen an die Amerikanischen Konvente jedoch warnt HPB bereits vor den Gefahren der Psyche und betont, dass die psychischen Fähigkeiten (niederes Manas), welche sich notwendigerweise im Laufe der Evolution entwickeln, unbedingt vom höheren Manasprinzip kontrolliert und geleitet werden müssen, da sie den Schüler ansonsten zu den gefährlichsten Täuschungen und in den sicheren moralischen Untergang führen würden.

Zwar leben wir gegenwärtig größtenteils im kama-manasischen Teile unserer Konstitution; unser Wille aber stammt nicht aus dem kama-manasischen Teile in uns, sondern steigt unmittelbar von Atman zu uns herab, erläutert Gottfried von Purucker in seinen Dialogen Bd. VI Seite 161 : Während also unser Wille durch unser gegenwärtiges karmisches Geschick im kama-manasischen Teile von uns angekettet, eingekerkert und gefesselt ist, kann er doch durch Ausübung des spirituellen Hoheitsrechtes seines atmischen swabhavas (Keimes) jeden Augenblick ja oder nein sagen oder auf der Stelle seinem Handeln eine andere Richtung geben.

Dieses ständige „sich entscheiden müssen“ führt uns tatsächlich über die Ausrichtung unseres Willens in immer neue Ebenen des Seins.

Und es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als die Evolutionskette fortzusetzen. Wir können uns nicht davonschleichen; weder durch eine „Kopf in den Sand“-Mentalität oder eben noch schlimmere Alternativen, noch durch die Entscheidung zum Egozentrismus. (11)

Zwar schreiten die Pratyeka-Buddhas vorwärts und erfüllen das Gebot der grenzenlosen Liebe; aber sie haben kein Mitleid, welches sie veranlassen könnte, auf ihre jüngeren Brüder zu warten.

Theosophisch Strebende sollten sich jedoch von Anfang an für den Weg der Buddhas des Mitleids entscheiden.

Ein Mitstudierender (12) fragte einmal in seinem Vortrag:
„Geht es denn immer nur bergauf?“

Ja, es geht immer nur bergauf, wenngleich durch alle notwendigen Tiefen. Und wir werden in erhabene Ebenen (Bewusstseinszustände) vordringen, von denen wir jetzt nicht einmal den Schimmer einer Ahnung haben können. Aber auf der nächst höheren Ebene fangen wir mit dem Lernen naturgemäß auch ganz klein wieder an. Wir sehen: Es ist und bleibt anstrengend. Allerdings bekommen wir auch das notwendige Maß an Ruhephasen!
Goethe verdeutlicht uns diesen Sachverhalt wunderbar in seinem Gedicht aus dem West-östlichen Divan:

 Selige Sehnsucht

Sagt es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet,
Das Lebend'ge will ich preisen,
Das nach Flammentod sich sehnet.

In der Liebesnächte Kühlung,
Die dich zeugte, wo du zeugtest,
Überfällt dich fremde Fühlung,
Wenn die stille Kerze leuchtet.

Nicht mehr bleibest du umfangen
In der Finsternis Beschattung,
Und dich reißet neu Verlangen
Auf zu höherer Begattung.

Keine Ferne macht dich schwierig,
Kommst geflogen und gebannt,
Und zuletzt, des Lichts begierig,
Bist du, Schmetterling, verbrannt.

Und solang du das nicht hast,
Dieses: "Stirb und werde!"
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.

Tut ein Schilf sich doch hervor,
Welten zu versüßen!
Möge meinem Schreibe-Rohr
Liebliches entfliessen!
 

Anmerkungen:

(1) Die Phänomenologie des Geistes ist das 1807 veröffentlichte erste Hauptwerk des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel

(2) Wenn ein neues Sonnensystem entwickelt werden soll, dann werden diese Dyan-Chohans durch das Einströmen »an der Spitze« der Elementale hineingetragen und bleiben als latente oder inaktive geistige Kraft in der Aura der werdenden Welt eines neuen Systems, bis die Stufe der menschlichen Entwicklung erreicht ist (denken Sie an die Allegorie der Hindus über die von Siva ins Andarah geschleuderten gefallenen Devas, denen von Parabrahman erlaubt wird, es als einen Zwischenzustand zu betrachten, wo sie sich durch eine Reihe von Wiedergeburten in dieser Sphäre auf einen höheren Zustand vorbereiten können - eine neue Regeneration). Dann hat Karma sie erreicht, und sie werden den bitteren Kelch der Vergeltung bis zum letzten Tropfen, den er enthält, annehmen müssen. Dann werden sie eine aktive Wesenheit des rein tierischen Reiches, um allmählich den vollen Typus der Menschheit zu entwickeln. In dieser Vermischung verlieren sie ihre hohe Intelligenz und Spiritualität der Devaschaft, um sie erst am Ende des siebenten Ringes in der siebten Runde wiederzugewinnen. ML, 87, entnommen aus Quelle des Okkultismus II, 151

(3) Die in die Zeugung gefallenen Engel werden sinnbildlich als Schlangen und Drachen der Weisheit erwähnt... weil der Logos Christos ist - jenes „Prinzip“ unserer inneren Natur, welches sich in uns zum geistigen Ego entwickelt - zum Höheren Selbst - das aus der unauflöslichen Vereinigung von Buddhi, dem sechsten, und der geistigen Blüte des Manas, des fünften „Prinzipes“ gebildet ist (GL II, 241)

(4) Identität (lateinisch idem ‚derselbe`, idem ‚dasselbe`) ist die Gesamtheit, die eine Entität, einen Gegenstand oder ein Objekt kennzeichnet und als Individuum von allen anderen unterscheidenden Eigentümlichkeiten beschreibt.

(5) dem christlichen Himmel vergleichbar in der Vorstellung eines Bewusstseinszustandes

(6) Corpus Hermeticum Pymander zu Hermes

(7) G.v.Purucker - Im Tempel - S. 115

(8) Maxime: oberste persönliche Lebensregel, persönlicher Grundsatz des Wollens und Handelns

(9) Faust: Vorspiel auf dem Theater

(10) Kama, das Wunschprinzip

(11) Egozentrismus bezeichnet die Haltung eines Menschen, der seine eigene Person als das Zentrum allen Geschehens betrachtet und alle Ereignisse von seinem eigenen Standpunkt und von seiner eigenen Perspektive aus bewertet.

(12) Hans Nickl, TG Adyar, Loge Graz

 

verfasst von Edeltraud Elsas